Vor dem Bad Godesberger Rathaus spielte man schon 1963 Boule
Französisch-deutsche Initiative einer Vereinsgründung – von Heinz Rulands
Anfänglich war es nur eine kleiner Kreis, vorwiegend Mitarbeiter der französischen Botschaft, die in der damals noch selbständigen Stadt Bad Godesberg im linksrheinischen
Süden der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn residierte. Man traf sich auf dem Platz vor dem Bad Godesberger Rathaus zu geselligem Spiel. Doch schon bald wurde die Zahl der Spieler größer, und
das Spiel bekam eine wachsende Anhängerschaft, auch unter Deutschen. Freundschaften wurden geschlossen und gemeinsame Pläne geschmiedet. Die Erwartungen und Anforderungen stiegen.
Man wollte sich über die Grenzen Bad Godesbergs hinaus mit anderen im Wettkampf messen. Aus dem Spiel sollte auch in Deutschland ein Sport werden.
Dazu bedurfte es einiger organisatorischer Voraussetzungen und eines turnierfähigen Platzes. Was lag also näher als einen Verein zu gründen? Schließlich gab es in Frankreich bereits eine große und
wachsende Zahl von „Clubs de la Pétanque“, wie das Spiel dort heißt.
Als dann im Januar 1963 der deutsch-französische Freundschaftsvertrag abgeschlossen wurde, gab dies den letzten Anstoß zur Gründung eines der ersten deutsch-französischen Vereine in
Deutschland nach der Vertragsschließung. „Noch in diesem Monat werden wir einen deutsch-französischen Bouleverein gründen“, sagte Karl Steinhoff, der damals so etwas wie der Obmann der deutschen
Boulefreunde war, Anfang Mai 1963 dem Reporter des Bonner General-Anzeigers.
Gesagt, getan! In der am 9. Mai 1963 tagenden Versammlung wurden von den anwesenden sieben Mitgliedern der 1. Boule-Club „Pétanque“ e.V. Bad Godesberg gegründet:
Facsimile des Gründungsprotokolls und der Beurkundung auf der Gründungssatzung (nächste Seite) hier einfügen!
Den Zweck des Vereins sah man in erster Linie in der „Pflege des Boule-Spiels“ und „der körperlichen Ertüchtigung“. „Echtes sportliches Brauchtum“ wollte man rein halten. Bemerkenswert ist, dass der
Verein sich ausdrücklich als eine deutsch-französische Gründung verstand, mit dem Bestreben, das „gegenseitige Kennenlernen der Angehörigen der beiden Völker zu fördern.“
Praktisch drückte sich die deutsch-französische Verbundenheit in der Regelung für die Besetzung des Vorstandes aus: Wenn der 1. Vorsitzende Franzose ist, sollte der 2. Vorsitzende Deutscher sein,
und umgekehrt.
Nicht ganz so einfach wie der Gründungsakt selbst war es, die Anerkennung durch die Behörden zu bekommen. Boule war eben in Deutschland noch nahezu unbekannt und man wollte nicht glauben, dass es
sich um einen Sportverein handelte.
Erst Ende 1964 wurden die Boule-Spieler auch als Sportler ernst genommen und der 1. BCP Bad-Godesberg als außerordentliches Mitglied in den Kreissportbund aufgenommen. Vorher mussten
allerdings Berichte über französische Profiteams, Tabellen der französischen Vereine und Material über deren Wettkämpfe in regelrechten Ligen vorgelegt werden.
Mit der Anerkennung als Sportverein vergrößerten sich die Chancen einen eigenen Platz von der Stadt zur Verfügung gestellt zu bekommen, den man dann schließlich auf den Rheinwiesen neben dem alten
Wasserwerk, das von 1986 bis 1992 als Plenarsaal des Deutschen Bundestages genutzt wurde, einweihen konnte.
Einweihung mit französischem Botschafter und Bürgermeister
Zur Einweihung des neuen Boule-Platzes mit vier Doppelfeldern fanden sich im September 1966 der französische Botschafter Seydoux und der Bürgermeister der Stadt
Bad Godesberg, Franz Linz zu einem spannenden Match ein. Natürlich hatte der bouleunerfahrene Franz Linz keine wirkliche Chance, dafür aber viel rheinischen Humor und Freude am Spiel.
In den folgenden Jahren wurden regelmäßig Stadtmeisterschaften ausgetragen und bereits 1966 fanden sich erstmals deutsche Namen in den Siegerlisten. Die französischen „Lehrmeister“ waren zwar von
dieser Entwicklung etwas überrascht, erkannten sie aber neidlos an. Schon bald gingen die sportlichen Aktivitäten über die Grenzen Bonns hinaus. Turniere mit Freunden aus der Partnerstadt St. Cloud
und mit anderen Vereinen und Spielgemeinschaften, anfangs besonders aus Freiburg, Düsseldorf und Koblenz, bereicherten die Saison und legten damit den Grundstein für die heute vielfältige
Turnierlandschaft in Deutschland.
Schon 1978 – vor heute 35 Jahren waren über 100 Teilnehmer aus Belgien, Frankreich, Holland, Luxemburg und Deutschland beim Bad Godesberger Boule-Club zu Gast. 38 Triplettes traten
gegeneinander an. Dieses damals für die deutsche Boule-Szene beachtliche Ereignis, fand seine Fortsetzung im Internationalen Bonn-Turnier, das im vorigen Jahr zum 34. Mal ausgetragen wurde.
Erste Deutsche Meisterschaft natürlich in Bad Godesberg
Der Höhepunkt im deutschen Pétanque-Sport ist sicherlich die deutsche Meisterschaft, die 1977 erstmals – natürlich in Bad Godesberg – ausgetragen wurde. Das Bad Godesberger
Triplette Remo Rinaldi/Albert Weingartz/Martin Ulrich konnte sich damals gegen starke Konkurrenz durchsetzen und wurde 1. Deutsche Meister. 1978 konnte das Team Herbert Berg/Olaf Fingerhut/Ebi
Toepfer diesen Erfolg wiederholen. 1982 wurden mit dem Triplette Ebi Toepfer/Herbert Berg/Martin Ulrich sowie mit dem Doublette Ebi Toepfer/Olaf Fingerhut zwei Godesberger Teams Deutsche
Meister.
1977 fuhren Bad Godesberger und Freiburger Spieler als erste Deutsche zu den Weltmeisterschaften nach Luxemburg. Fortan wurden die teilnehmenden deutschen Teams
„Vertreter des Deutschen Pétanque-Verbandes“ genannt, der allerdings noch gar nicht gegründet war.
Erst 1984 trafen sich in Groß-Gerau Vertreter der inzwischen gegründeten Landesverbände aus dem Saarland, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg sowie Vereinsvertreter aus Aschaffenburg, Bonn,
Darmstadt, Dillingen, Düren, Durmersheim, Frankfurt/Main, Freiburg, Bad Godesberg, Heidelberg, Kiel, Konstanz, Nalbach, Nürnberg, Raunheim, Rastatt, Reutlingen, Rottweil, Saarbrücken, Saarwellingen,
Saarlouis, Singen, Würzburg und gründeten den Deutschen Pétanque-Verband.
Der 1. BCP Bad Godesberg, der im Mai 2013 seinen 50. Geburtstag feiert, darf deshalb mit Fug und Recht als die „Keimzelle“ des offiziellen Boule-Sports in Deutschland bezeichnet werden
In Bonn wurde 1979 der zweite und heute größter Bonner Bouleverein „Pétanque- und Boule-Club Altstadtfreunde Bonn e.V.“ gegründet. 1991 folgte der „Boule-Club Ennert“. Später folgten
„Funny-Poppelsdorf“, die vereinsunabhängige Spielgemeinschaft „Boulefreunde Bonn-Auerberg“ sowie die Boule-Abteilung des SV Rot-Weiß Bonn Röttgen
e.V., die sich Anfang 2013 dem Boule-Club Ennert anschloss.
In Relation zur Bevölkerungszahl ist Bonn damit bis heute eine „Boule-Hochburg“ geblieben und unterstreicht dies mit dem „Bonner Boulefest 2013“.
Quellen:
Artikel von Heinz Rulands in der Ausgabe 4/96 von „au fer – das alternative Kugelmagazin (inzw. eingestellt).
Martin Koch, Das Boule-Spiel – Pétanque … die Faszination der Eisenkugel 2. Aufl. Berlin 2007, 5. Kapitel, Pétanque in Deutschland